Verfahrensdokumentation für Unternehmen – Pflicht oder Kür?
- Martin Kanopka
- 26. März
- 3 Min. Lesezeit
Die Anforderungen an eine ordnungsgemäße Buchführung haben sich mit der zunehmenden Digitalisierung des Rechnungswesens erheblich verändert. Während Papierbelege und handschriftliche Notizen in vielen Unternehmen der Vergangenheit angehören, stehen heute digitale Belege, Cloud-Lösungen und automatisierte Prozesse im Mittelpunkt.
Was dabei häufig unterschätzt wird: Die Finanzverwaltung erwartet, dass Unternehmen die Abläufe in ihrer digitalen Buchführung strukturiert, vollständig und nachvollziehbar dokumentieren – und zwar in Form einer sogenannten Verfahrensdokumentation.
In diesem Beitrag erklären wir, was eine Verfahrensdokumentation ist, auf welcher rechtlichen Grundlage sie beruht, welche Anforderungen konkret bestehen und welche Risiken eine fehlende oder unzureichende Dokumentation mit sich bringt.
1. Was ist eine Verfahrensdokumentation?
Die Verfahrensdokumentation ist ein zentrales Instrument zur Sicherstellung der Nachvollziehbarkeit und Nachprüfbarkeit der Buchführung. Sie beschreibt detailliert, wie steuerlich relevante Daten im Unternehmen verarbeitet werden – von der Entstehung eines Belegs bis hin zur Archivierung.
Ziel ist es, dass ein sachverständiger Dritter (z. B. ein Betriebsprüfer der Finanzverwaltung) innerhalb angemessener Zeit nachvollziehen kann, wie die Buchführungs- und Aufzeichnungsprozesse organisiert sind und welche Systeme dabei zum Einsatz kommen.
Eine vollständige Verfahrensdokumentation besteht in der Regel aus den folgenden vier Bestandteilen:
a) Allgemeine Beschreibung
Informationen über das Unternehmen, seine Organisation, die eingesetzten IT-Systeme sowie die allgemeinen Rahmenbedingungen der Buchführung.
b) Anwenderdokumentation
Beschreibung der Softwarelösungen und Programme, die für die Buchführung, die Belegverarbeitung, Archivierung und Kommunikation mit dem Finanzamt verwendet werden.
c) Technische Systemdokumentation
Darstellung der IT-Infrastruktur, Schnittstellen, Sicherheitsmaßnahmen und Datenzugriffsrechte.
d) Betriebsdokumentation / Prozessdokumentation
Schritt-für-Schritt-Darstellung der buchhalterisch relevanten Prozesse: z. B. Rechnungseingang, Scannen und Archivieren von Belegen, Zahlungsprozesse, Kontrolle und Freigabe von Buchungen, Speicherung in der Buchhaltungssoftware etc.
2. Rechtsgrundlage: Wo ist die Verfahrensdokumentation geregelt?
Die Pflicht zur Verfahrensdokumentation ergibt sich aus den Grundsätzen zur ordnungsmäßigen Führung und Aufbewahrung von Büchern, Aufzeichnungen und Unterlagen in elektronischer Form sowie zum Datenzugriff – kurz: GoBD.
Die aktuelle Fassung der GoBD wurde am 28. November 2019 vom Bundesministerium der Finanzen (BMF) veröffentlicht und ist seit dem 1. Januar 2020 in Kraft.
Darin heißt es unter anderem (Rz. 151 GoBD):
„Die Nachvollziehbarkeit und Nachprüfbarkeit erfordern eine übersichtlich gegliederte und inhaltlich zutreffende Verfahrensdokumentation.“
Diese Pflicht betrifft alle Unternehmen, die ihre Buchführung zumindest teilweise digital führen – unabhängig von der Rechtsform oder Unternehmensgröße. Auch Einzelunternehmen oder Freiberufler, die z. B. Belege einscannen und digital weiterverarbeiten, müssen eine entsprechende Dokumentation vorhalten.
3. Warum ist eine Verfahrensdokumentation wichtig?
Die Verfahrensdokumentation ist kein Selbstzweck. Sie spielt eine entscheidende Rolle bei der Beurteilung, ob die Buchführung eines Unternehmens den gesetzlichen Anforderungen genügt.
Fehlt die Dokumentation oder ist sie unvollständig, kann das gravierende Folgen haben:
Formeller Mangel der Buchführung
Zweifel an der Ordnungsmäßigkeit der Aufzeichnungen
Zuschätzungen im Rahmen einer Betriebsprüfung
Verlängerung und Intensivierung von Prüfungen
Steuerliche Risiken und Haftung bei Fehlern
Die Finanzverwaltung setzt zunehmend auf digitale Prüfungsverfahren (z. B. Z1-Z3-Datenzugriff). Ohne dokumentierte Prozesse kann ein Prüfer die Herkunft, Vollständigkeit und Unveränderbarkeit der Daten nicht verlässlich nachvollziehen – mit entsprechenden Konsequenzen.
4. Für wen ist eine Verfahrensdokumentation verpflichtend?
Die Verpflichtung gilt grundsätzlich für alle Steuerpflichtigen, die steuerlich relevante Unterlagen in elektronischer Form erstellen, empfangen, weiterverarbeiten oder aufbewahren. Das betrifft:
Kapital- und Personengesellschaften
Einzelunternehmen und Freiberufler
Vereine, Stiftungen, gGmbHs
Steuerpflichtige, die eine Buchhaltungssoftware nutzen
Unternehmen mit Scan- oder Archivierungsprozessen
Betriebe mit Cloud-Lösungen oder ERP-Systemen
Selbst bei vollständig ausgelagerter Buchführung (z. B. durch den Steuerberater) bleibt die Dokumentationspflicht beim Mandanten, da die organisatorische Verantwortung nicht delegierbar ist.

5. Welche Anforderungen stellt die Praxis?
In der Praxis kommt es nicht nur auf die Existenz einer Verfahrensdokumentation an, sondern auch auf deren Inhalt, Verständlichkeit und Aktualität. Die Dokumentation muss:
vollständig sein – alle relevanten Prozesse abbilden
verständlich geschrieben sein – auch für betriebsfremde Personen
aktuell gehalten werden – bei System- oder Prozessänderungen ist eine Überarbeitung erforderlich
prüfbar sein – im Zweifel auf Anforderung digital vorlegbar
Es genügt nicht, allgemeine Standardtexte zu übernehmen. Die Dokumentation muss auf das konkrete Unternehmen zugeschnitten sein.
6. So gehen Sie am besten vor: Praxisempfehlungen
Die Erstellung einer Verfahrensdokumentation ist eine strukturierte Aufgabe, die idealerweise interdisziplinär erfolgt – unter Einbeziehung von Buchhaltung, IT und ggf. externen Beratern.
Schritt 1: Prozesse analysieren
Welche steuerlich relevanten Prozesse gibt es im Unternehmen? Welche Systeme werden verwendet?
Schritt 2: Dokumentation erstellen
Gliedern Sie die Dokumentation wie oben beschrieben – allgemeiner Teil, Systembeschreibung, Prozessbeschreibung, IT-Dokumentation.
Schritt 3: Intern abstimmen
Lassen Sie die Dokumentation von den relevanten Stellen im Unternehmen prüfen – IT, Buchhaltung, ggf. Datenschutzbeauftragter.
Schritt 4: Laufend aktualisieren
Dokumentieren Sie Änderungen zeitnah. Eine regelmäßige Überprüfung, z. B. einmal im Jahr, ist empfehlenswert.
7. Fazit: Pflicht mit Mehrwert
Die Verfahrensdokumentation ist keine bloße Fleißarbeit, sondern ein zentraler Bestandteil einer ordnungsgemäßen digitalen Buchführung. Unternehmen, die ihre Prozesse sauber dokumentieren, schaffen nicht nur Rechtssicherheit, sondern auch Transparenz und Struktur in den eigenen Abläufen.
Zudem erleichtert eine gute Dokumentation die Kommunikation mit Beratern, Softwareanbietern – und im Ernstfall mit der Finanzverwaltung.
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